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Beitrag von Degro, Kategorien Pressemitteilung, März 2020

Halbierung der lokalen Rückfallrate bei NSCLC: Neuer Standard für die Strahlentherapie?

Mit dem Einsatz der Positronen-Emissions-Tomographie (FDG-PET) können das Zielvolumen der Bestrahlung reduziert und gleichzeitig „punktgenau“ effektivere Strahlendosen verabreicht werden. Eine internationale Studie unter deutscher Federführung zeigte, dass dadurch bei Patienten mit inoperablem nicht kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) ein besseres Therapieergebnis erreicht wird: Es kam fast zu einer Halbierung der lokalen Rückfallrate. Nach Ansicht von DEGRO-Experten setzt die von der Deutschen Krebshilfe mit rund 1,1 Mio. Euro geförderten Studie einen neuen internationalen Standard für die Bestrahlungsplanung und stellt einen Meilenstein in der Erfolgsgeschichte der Radioonkologie dar.

Eine internationale Studiengruppe, geführt von Frau Prof. Dr. Ursula Nestle (Freiburg und Mönchengladbach), untersuchte, ob der Einsatz der Positronen-Emissions-Tomographie (FDG-PET) zur Reduktion des Zielvolumens Vorteile für die behandelten Patienten bringt. An der randomisierten Studie, nahmen 24 Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Verglichen wurden zwei Patientengruppen, bei denen die Strahlentherapie entweder nach konventionellen Standards oder innovativ unter Beschränkung auf die in der FDG-PET auffälligen Areale durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der PET-Plan Studie [1] wurden heute in der international hochrenommierten Zeitschrift „Lancet Oncology“ publiziert – und sie sind ein Meilenstein in der Erfolgsgeschichte der Radioonkologie: Durch die PET-unterstützte Bestrahlungsplanung konnte das Auftreten eines erneuten Tumorwachstums in der ursprünglich befallenen Region auf fast die Hälfte reduziert werden (lokale Rückfallrate von 0,39 vs. 0,2 nach zwei Jahren, HR: 0,57). Hinsichtlich der Nebenwirkungen gab es keine Unterschiede zwischen den Studienarmen. Die häufigsten akuten Nebenwirkungen, Speiseröhrenentzündungen und Schluckstörungen, traten in höherer Intensität (Grad 3 ) in beiden Studiengruppen bei nur 16% der behandelten Patienten auf.

„Die Studie hat gezeigt, dass die bestrahlten Bereiche auf die bildgebend nachgewiesene Tumorregion beschränkt werden können, ohne dass vorsorglich weitere Regionen bestrahlt werden müssen. Daraus ergibt sich sogar die Chance auf eine bessere Wirkung der Behandlung, ohne dass mehr Nebenwirkungen riskiert werden“, erklärte Prof. Nestle. Wodurch genau dieser positive Effekt genau zustande kommt, ist Gegenstand weiterer Forschung. Es konnten nach bildgestützter Bestrahlungsplanung höhere Strahlendosen gegeben werden, ohne dass mehr Nebenwirkungen auftraten. Zudem wurde weniger gesundes, nicht tumorbefallenes Gewebe bestrahlt, was nicht nur für die Verträglichkeit der Behandlung, sondern möglicherweise auch für das Immunsystem günstiger ist. DEGRO-Präsident Prof. Rainer Fietkau, Erlangen, erklärt: „Dieses ist ein zunehmend wichtiger Aspekt, da heute die Radio-Chemotherapie bei Patienten mit nicht kleinzelligen Lungenkrebs auch mit einer Immuntherapie kombiniert wird.“ Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei diesen Patienten mit der Kombination aus zielgerichteter Strahlentherapie und Immuntherapie der Behandlungserfolg weiter verbessert werden kann. „Um das Therapiespektrum voll ausschöpfen zu können, sind strahlentherapeutische Verfahren, die das Immunsystem möglichst wenig beeinflussen, daher zu bevorzugen.“
„Wir haben mit dieser Studie einen neuen internationalen Standard für die Bestrahlungsplanung gesetzt“, sagt Prof. Dr. Anca-L. Grosu, die Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. Die Pressesprecherin der DEGRO, Prof. Dr. Stephanie E. Combs, München, ergänzt: „Wir hoffen, dass in Zukunft auch bei anderen Tumoren – zusammen mit einer guten Systemtherapie – die Konzentration der Bestrahlung auf das sichtbare Tumorvolumen getestet werden kann.“

Quelle[1] Ursula Nestle, Tanja Schimek-Jasch, Stephanie Kremp, Andrea Schaefer-Schuler, Michael Mix, Andreas Küsters, Marco Tosch, Thomas Hehr, Susanne Martina Eschmann, Yves-Pierre Bultel, Peter Hass, Jochen Fleckenstein, Alexander Thieme, Marcus Stockinger, Karin Dieckmann, Matthias Miederer, Gabriele Holl, Christian Rischke, Eleni Gkika, Sonja Adebahr, Jochem König, Anca-Ligia Grosu, for the PET-Plan study group. Imaging-based target volume reduction in chemoradiotherapy for locally advanced non-small-cell lung cancer (PET-Plan): a multicentre, open-label, randomised, controlled trial. The Lancet Oncology 2020. Published:March 12, 2020. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(20)30013-9

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Beitrag von Degro, Kategorien Pressemitteilung, Februar 2020

Synergien nutzen! Strahlentherapie in Kombination mit der Immuntherapie

Wie die DEGRO unterstreicht, zeigen aktuelle Daten den hohen Stellenwert der Radiotherapie bei der Behandlung von Tumorerkrankungen – auch wenn es um neue medikamentöse Therapien geht. Durch die Strahlentherapie kann die Wirksamkeit moderner immunmodulierender Medikamente gesteigert werden – ein Potenzial, das zum Wohle der Patienten ausgeschöpft werden sollte. Neue personalisierte Ansätze ermöglichen zudem eine bessere Patientenselektion, so dass nur die Patienten eine Radioimmuntherapie erhalten, die auch darauf ansprechen.

Auch wenn die Strahlentherapie als lokale Tumortherapie gilt, hat sie systemische Effekte. Bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde beobachtet, dass die Strahlentherapie nicht nur den bestrahlten Tumor verkleinerte, sondern in Zuge dessen auch Fernmetastasen, die gar nicht im Bestrahlungsfeld lagen, schrumpfen ließ. Dieses Phänomen wird als abscopaler Effekt bezeichnet und lässt sich nur dadurch erklären, dass die Strahlentherapie eine immunologische Reaktion im Körper auslöst, die wahrscheinlich mit dem programmierten Zelltod (Apoptose) der bestrahlten Tumorzellen zusammenhängt. Mit dem Aufkommen der Checkpointinhibitoren in der letzten Dekade steht wiederum eine effektive immunmodulierende Krebstherapie zur Verfügung, die heute bereits beim Melanom, nichtkleinzelligen Lungenkrebs, bei Nierenzellkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen zum Einsatz kommt. Doch nicht jeder Patient spricht auf die reine Immuntherapie an. Je nach Tumorentität sind dies lediglich 20 – 40% der Patienten. Die Überlegung, die Strahlentherapie und Checkpointinhibitoren kombiniert einzusetzen, um synergistisch die Immunantwort zu verstärken, lag daher nahe und wurde in mehreren Studien untersucht. Aktuelle Daten für diese Kombinationstherapie liegen u.a. zum nichtkleinzelligen Lungenkrebs vor und sind trotz formaler Limitationen sehr ermutigend. Zudem werden derzeit personaliserte Ansätze der Radioimmuntherapie bei Kopf-Hals-Tumoren getestet.

Daten mit „Strahlkraft“ zum nichtkleinzelligen Lungenkrebs: Radioimmuntherapie verdreifachte das progressionsfreie Überleben und verdoppelte die Ansprechrate
Präklinische Daten und erste Studien hatten bereits vielversprechende Ergebnisse gezeigt. 2019 wurden zwei Arbeiten publiziert, die eine enorme „Strahlkraft“ haben:
 Bauml et al. [1] hatten in ihrer monozentrischen, einarmigen Phase-2-Studie die Wirksamkeit des PD-1-Inhibitors Pembrolizumab untersucht. 45 Patienten mit bis zu vier Metastasen erhielten zunächst eine lokal ablative Therapie. 4-12 Wochen nach Abschluss dieser Therapie erhielten sie dann Pembrolizumab (200 mg i.v. alle drei Wochen). Im Ergebnis zeigte sich ein medianes progressionsfreies Überleben von 19,1 Monaten bei diesen Patienten – ohne Lebensqualitätseinbußen und ohne relevant erhöhte Nebenwirkungsrate. „Wie die Studienautoren anführten, betrug das PFS in Studien, in denen vergleichbare Patienten lediglich eine alleinige lokal ablative Therapie erhalten hatten, 6,6 Monate. Das heißt, dass durch die Radioimmuntherapie das progressionsfreie Überleben fast verdreifacht wurde“, betonte Prof. Fietkau, Erlangen, Präsident der DEGRO. Allerdings wies er auch auf die Schwächen der Studien hin: Es handelte sich nicht um eine
randomisierte Vergleichsstudie – und außerdem zählte die operative Entfernung zu den lokal ablativen Therapien, auch wenn die Mehrheit der Patienten eine Radiotherapie oder Radiochemotherapie erhalten hatten. „Formal ist es daher nicht korrekt, die Ergebnisse auf die Radioimmuntherapie zu extrapolieren“, so der DEGRO-Präsident. Doch auch die randomisierte Phase-3-PACIFIC-Studie, die 2017 im New England Journal [2] publiziert wurde, kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Patienten mit metastasiertem nichtkleinzelligen Lungenkrebs hatten nach einer Radiochemotherapie entweder Placebo oder den Checkpointinhibitor Durvalumab erhalten. Das mediane PFS betrug im Verumarm 16,8 Monate und in der Placebogruppe 5,6 Monate. Auch hier war also der Zeitraum, in der die Erkrankung nicht weiter voranschritt, fast dreimal so lang. Eine aktuelle Auswertung der PACIFIC-Kohorte [3] bestätigte auch einen Therapievorteil der Radioimmuntherapie im Hinblick auf das 3-Jahres-Gesamtüberleben.
 In der Phase-3-Studie von Theelen et al. [4] wurde der Effekt von Pembrolizumab nach Bestrahlung aller Metastasen der Patienten mit nichtkleinzelligen Lungenkrebs untersucht. Die insgesamt 76 Patienten erhielten entweder die alleinige Therapie mit dem Checkpointinhibitor (Kontrollgruppe) oder eine Kombinationstherapie aus stereotaktischer Bestrahlung plus Pembrolizumab (Behandlungsgruppe). Das PFS betrug im Kontrollarm 1,9 Monate, im Behandlungsarm 6,6 – konnte also auch hier um den Faktor 3 verlängert werden (erreichte dennoch kein statistisches Signifikanzniveau) . Außerdem wurde eine Verdopplung des medianen Gesamtüberlebens erreicht (7,6 Monate vs. 15,9 Monte – hier konnte ebenfalls kein Signifikanzniveau erreicht werden). Der primäre Studienendpunkt war die allgemeine Ansprechrate – und auch der wurde verfehlt, obwohl die Ansprechrate im Prüfarm 36% und im Kontrollarm 18% betrug. „Leider wurde die statistische Signifikanz mit der Annahme einer Verbesserung von 20% auf 50% kalkuliert, daher fiel die Studie negativ aus. Dennoch werten wir das Ergebnis als sehr deutliches Signal“, so Fietkau. Auch gebe die Studie Aufschluss über eine mögliche Personalisierung der Radioimmuntherapie, denn es waren hauptsächlich die Patienten mit PD-L1-negativen Tumoren, die von der zusätzlichen Bestrahlung profitierten.
Personalisierte Radioimmuntherapie bei Kopf-Hals-Tumoren
2018 wurde in Erlangen die Check-Rad-CD8- Studie [5] zur Radioimmuntherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren gestartet. Zwei Besonderheiten: In dieser Studie werden zwei Checkpointinhibitoren mit der Strahlentherapie kombiniert, die unterschiedliche Signalwege blockieren. Außerdem werden die Patienten vor Randomisierung nach ihrem immunologischen Status selektiert. Dafür erhalten sie vorab eine Chemoimmuntherapie. Im Anschluss wird dann Tumorgewebe entnommen und feingeweblich untersucht. Nur Patienten, bei denen ein Anstieg von zelltoxischen T-Zellen nachweisbar ist, erhalten die Radioimmuntherapie, die anderen eine Radiochemotherapie. „Im Prinzip wird hier vorab geprüft, welche Patienten überhaupt auf die immunmodulierende Therapie ansprechen“, erklärte Prof. Fietkau. „Bei bisherigen Vergleichsstudien wurden auch immer Therapieversager eingeschlossen, man benötigte dann große Fallzahlen, um überhaupt ein Signifikanzniveau erreichen zu können. Ein solcher auf die Tumorbiologie personalisierter Ansatz ist ökonomisch und kann zu aussagekräftigeren Studienergebnissen führen.“
Abschließend erklärte Prof. Rainer Fietkau, Erlangen, Präsident der DEGRO, auf dem Deutschen Krebskongress: „Wir glauben, dass die personalisierte Radioimmuntherapie den zukünftigen Therapiestandard bei vielen Krebsindikationen in fortgeschrittenen Stadien darstellen kann.“

Literatur[1] Bauml JM, Mick R, Ciunci C, Aggarwal C, Davis C, Evans T, Deshpande C, Miller L, Patel P, Alley E, Knepley C, Mutale F, Cohen RB, Langer CJ. Pembrolizumab After Completion of Locally Ablative Therapy for Oligometastatic Non-Small Cell Lung Cancer: A Phase 2 Trial. JAMA Oncol. 2019 Jul 11. doi: 10.1001/jamaoncol.2019.1449.[2] Antonia SJ, Villegas A, Daniel D et al. Durvalumab after Chemoradiotherapy in Stage III Non-Small-Cell Lung Cancer. N Engl J Med. 2017 Nov 16;377(20):1919-1929. doi: 10.1056/NEJMoa1709937.[3] Gray JE, Villegas A, Daniel D et al. Three-Year Overall Survival with Durvalumab after Chemoradiotherapy in Stage III NSCLC-Update from PACIFIC. J Thorac Oncol. 2019 Oct 14. pii: S1556-0864(19)33529-4. doi: 10.1016/j.jtho.2019.10.002. [Epub ahead of print] [4] Theelen WSME, Peulen HMU, Lalezari F, van der Noort V, de Vries JF, Aerts JGJV, Dumoulin DW, Bahce I, Niemeijer AN, de Langen AJ, Monkhorst K, Baas P. Effect of Pembrolizumab After Stereotactic Body Radiotherapy vs Pembrolizumab Alone on Tumor Response in Patients With Advanced Non-Small Cell Lung Cancer: Results of the PEMBRO-RT Phase 2 Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol. 2019 Jul 11. doi: 10.1001/jamaoncol.2019.1478[5] Check-Rad-CD8- Studie. Studiensynopse abrufbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03426657

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Beitrag von Degro, Kategorien Pressemitteilung, Februar 2020

Strategien zur Individualisierung des Bestrahlungsfeldes am Beispiel von Brustkrebs

Bei Patientinnen mit geringem Rückfallrisiko kann nach brusterhaltender Operation laut aktueller Leitlinie auch eine Teilbrustbestrahlung statt der herkömmlichen Ganzbrustbestrahlung durchgeführt werden. Neue Daten zeigen, dass die Teilbrustbestrahlung auch als „normale Bestrahlung“ durch die Haut in Anschluss an die OP erfolgen kann. Vorteil: die OP-Zeiten verlängern sich damit nicht. Das ist eine gute Nachricht für Betroffene mit erhöhten OP-Risiken. Die neue Therapieoption für die Teilbestrahlung ermöglicht mehr Patientinnen eine auf sie individuell angepasste Therapie.

Nach einer brusterhaltenden Brustkrebs-Operation schließt sich bei Patientinnen fast immer eine Strahlentherapie an. Nach aktueller S3-Leitlinie [1] soll die gesamte verbliebene Brust bestrahlt werden mit einer Dosis von ca. 50 Gy bei konventioneller Fraktionierung (in ca. 25-28 Fraktionen in ca. 5-6 Wochen) oder 40 Gy in Hypofraktioniering (15-16 Fraktionen in ca. 3-5 Wochen). Lediglich bei Frauen, die eine begrenzte Lebenserwartung haben (weniger als 10 Jahre), kann bei kleinem Tumor ohne Lymphknotenbefall, wenn er mit einer Hormontherapie behandelbar ist, auf eine Bestrahlung nach brusterhaltender Operation verzichtet werden. Doch muss bei allen anderen Patientinnen wirklich die gesamte Brust bestrahlt werden?
Neue S3-Leitlinie aktualisierte die Empfehlung zur Teilbrustbestrahlung
Nein! Die Datenlage hat sich in den letzten Jahren geändert und während die vorhergehende Fassung der S3-Leitlinie noch betonte, die Teilbrustbestrahlung als alleinige intra- oder postoperative Bestrahlungsbehandlung stelle keinen Therapiestandard dar, ist in der Fassung der Leitlinie vom August 2019 nachzulesen: „Eine alleinige Teilbrustbestrahlung (als Alternative zur Nachbestrahlung der ganzen Brust) kann bei Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko durchgeführt werden.“ Kriterien für ein niedriges Rückfallrisiko sind:
 Die Wechseljahre der Patientin sind abgeschlossen,
 der Tumor ist klein (Tumorstadium T1-2) und wenig bis mäßig bösartig (G1-2) und
 die Tumorzellen sind Hormonrezeptor-positiv, d.h. der Tumor spicht auf eine Hormontherapie an.
Erst wenn alle diese Kristerien erfüllt sind, kommt eine Teilbrustbestrahlung aus medizinischer Sicht in Betracht. Ist sie möglich, bringt sie durchaus Vorteile für die Patientin: Gegenüber der externen Bestrahlung der ganzen Brust bietet eine gezielte Teilbestrahlung die Möglichkeit, das umliegende Gewebe zu schonen und so Nebenwirkungen zu reduzieren.
Neue Daten: Die perkutane Teilbrustbestrahlung ist ebenso effektiv wie die intraoperative!
Eine Teilbrustbestrahlung wurde bisher intraoperativ als Brachytherapie oder Bestrahlung des Tumorbettes durchgeführt, nicht als „normale“ Strahlentherapie nach der OP (von Außen durch die Haut, sogenannte perkutane Bestrahlung). Strnad et al. [2] hatten gezeigt, dass die Lokalrezidivrate bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs (Stage 0, I und II a) nach brusterhaltender Operation mit einer akzelerierten Teilbrustbestrahlung mit Brachytherapie der Ganzbrustbestrahlung nicht unterlegen ist. Auch die TARGIT-A-Studie [3] hatte ergeben, dass bei Patientinnen mit frühem
Brustkrebs eine sofortige intraoperative Einzeldosis-Bestrahlung eine Alternative – gleichwertig zur
Ganzbrust-Bestrahlung nach OP – darstellen kann. „Die Rückfallrate am Ort des ursprünglichen
Tumors ist im Vergleich zu eine Ganzbrustbestrahlung nicht erhöht. Allerdings kommt es zu einer
minimal erhöhten Rückfallrate in anderen Abschnitten der betroffenen Brust und in den regionären
Lymphknoten. Aus dieser minimal erhöhten Rückfallrate (0,8-2%) resultiert aber kein
Überlebensnachteil, erklärte Prof. Dr. med. Wilfried Budach, Düsseldorf, Past-Präsident der DEGRO,
auf dem Deutschen Krebskongress. „Daher wurde die S3-Leitlinie im Sommerletzten Jahres
angepasst.“ Neu ist nun, dass auch die herkömmliche perkutane Teilbrustbestrahlung nicht der
Gesamtbrustbestrahlung unterlegen ist. Dazu wurden Ende 2019 drei Studien publiziert:
 Eine randomisierte Phase-3-Studie [4] hatte über 4.000 Patientinnen aus den USA, Kanada,
Irland und Israel eingeschlossen – eine Gruppe erhielt die Teilbrustbestrahlung, die andere
die Ganzbrustbestrahlung, der primäre Endpunkt war der erste Rückfall. Nach einem
medianen Follow-up von mehr als 10 Jahren war bei 4% der Patientinnen, die der
Teilbrustbestrahlung unterzogen worden waren, ein Wiederauftreten der Tumorerkrankung
diagnostiziert worden, in der Vergleichsgruppe bei 3%. Dieser Unterschied war statistisch
nicht signifikant, hinzukam, dass die Mortalitätsrate in beiden Gruppen gleich war (2%).
 Eine zweite randomisierte Studie [5] verglich ebenfalls die Rückfallraten nach Teil- und
Ganzbrustbestrahlung. Über 2.000 Patientinnen aus Kanada, Australien und Neuseeland
wurden eingeschlossen und über 8 Jahre nachbeobachtet. Auch hier zeigte sich nur eine
leicht höhere Rückfallrate bei den Patientinnen, die eine Teilbrustbestrahlung erhalten
hatten (3,0% vs. 2,8%), der Unterschied war nicht signifikant.
 Eine dritte Studie wurde Mitte Dezember 2019 [6] auf dem Brustkrebssymposium in San
Antonio vorgestellt. Dabei handelt es sich um die 10-Jahres-Daten einer italienischen Phase-
3-Studie mit insgesamt 520 Patientinneb über 40 Jahre, die von Brustkrebs im Frühstadium
(Tumorgröße von max. 25 mm) betroffen waren. 260 von ihnen waren einer
Teilbrustbestrahlung zugeführt worden, bei den anderen 260 wurde konventionell die
gesamte Brust bestrahlt. Das Langzeitergebnis war nicht signifikant unterschiedlich. Ein
Wiederauftreten des Tumors in der gleichen Brust trat bei 3,74% in der Teilbrust-
Bestrahlungsgruppe auf und bei 2,5% in der Vergleichsgruppe (p=0,58). Das Überleben war in
beiden Gruppe ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich.
„Fazit der neuen Studien ist, dass für Patientinnen mit niedrigem Rückfallrisiko eine partielle
Brustbestrahlung auch mittels perkutaner Strahlentherapie angeboten werden kann“, so Budach.
Diese ist für Patientinnen von Vorteil, die ein erhöhtes OP-Risiko haben, z.B. aufgrund von
Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes, denn die intraoperative
Bestrahlung verlängert die OP- und Narkosezeit (bei der Intrabeam-Methode muss ca. 30 Minuten
bestrahlt werden, wodurch sich der Eingriff um mindestens 40 Minuten verlängert, bei der IORT mit
Elektronenbeschleuniger dauert die Bestrahlung selbst nur 2 Minuten, insgesamt kommt es zu einer
Verlängerung des Eingriffs von 15-20 Minuten. Die Brachytherapie erfolgt in der Regel als zusätzlicher
Eingriff von ca. 40 min + Strahlentherapie über einige Tage bei liegenden Kathetern). „Diesen
Patientinnen können wir nun die perkutane Teilbestrahlung der Brust im Nachgang zur OP anbieten
und müssen nicht auf eine Vollbestrahlung bestehen“, so der Experte.
Abschließend erklärte Prof. Wilfried Budach, Past-Präsident der DEGRO, auf dem Deutschen
Krebskongress: „Die verschiedenen Therapiealternativen geben uns die Möglichkeit, jeder Patientin
eine individuell ausgerichtete Behandlung zu empfehlen, so dass sie so viel Therapie wie nötig und
so wenig wie möglich bekommt. Das `One fits all´-Konzept hat in der Strahlentherapie ausgedient!“

Literatur[1] Interdisziplinäre S3 –Leitlinie für die FrüherkennungFrüherkennung, Diagnos tik, Therapie und Nachsorge des
Mammakarzinoms. Langversion 4.2 – August 2019. Abrufbar unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-
045OL.html[2] Strnad V, Ott OJ, Hildebrandt G et al. Groupe Européen de Curiethérapie of European Society for Radiotherapy and
Oncology (GEC-ESTRO). 5-year results of accelerated partial breast irradiation using sole interstitial multicatheter
brachytherapy versus whole-breast irradiation with boost after breast-conserving surgery for low-risk invasive and in-situ
carcinoma of the female breast: a randomised, phase 3, non-inferiority trial. Lancet 2016; 387 (10015): 229-38[3] Vaidya JS, Wenz F, Bulsara M et al. TARGIT trialists‘ group. Risk-adapted targeted intraoperative radiotherapy versus
whole-breast radiotherapy for breast cancer: 5-year results for local control and overall survival from the TARGIT-A
randomised trial. Lancet 2014; 383 (9917): 603-13[4] Whelan TJ, Julian JA, Berrang TS t al. External beam accelerated partial breast irradiation versus whole breast irradiation
after breast conserving surgery in women with ductal carcinoma in situ and node-negative breast cancer (RAPID): a
randomised controlled trial. Lancet. 2019 Dec 14;394(10215):2165-2172. doi: 10.1016/S0140-6736(19)32515-2. Epub 2019
Dec 5.[5] Vicini FA, Cecchini RS, White JR et al. Long-term primary results of accelerated partial breast irradiation after breastconserving
surgery for early-stage breast cancer: a randomised, phase 3, equivalence trial. Lancet. 2019 Dec
14;394(10215):2155-2164. doi: 10.1016/S0140-6736(19)32514-0. Epub 2019 Dec 5.[6] Meattini et al. Accelerated partial breasts irradiation or whole breast irradiation after breast-conserving surgery for
patients with breast early cancer: 10-year follow up of the Florence APBI IMRT randomized phase III trial. Presented
at San Antonio Breast Cancer Symposium 2019, abrufbar unter
https://www.abstractsonline.com/pp8/#!/7946/presentation/1921

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Beitrag von Degro, Kategorien Pressemitteilung, Januar 2020

Gute Heilungschancen bei Analkrebs dank Strahlenchemotherapie

Die Heilungschancen für Patienten mit Analkarzinom sind besser als bei vielen anderen Krebserkrankungen. Bei frühestmöglicher Erkennung und Behandlung liegt die Heilungsaussicht heute bei fast 90%. Die Strahlenchemotherapie stellt derzeit den Therapiestandard dar. Eine kürzlich publizierte Studie [1] analysierte anhand früherer Erhebungen verschiedene Einflussfaktoren auf das 5-Jahres-Überleben. In der Auswertung lag das Rückfallrisiko insgesamt bei 22%. Aktuelle, an deutschen Zentren initiierte Studien untersuchen derzeit den Zusatznutzen einer Immuntherapie oder einer Hyperthermie in Kombination mit der Strahlenchemotherapie.

Ungefähr 1,5% Prozent aller Dickdarmkrebserkrankungen haben ihren Sitz im Analkanal. Im Gegensatz zu anderen Darmkrebsarten nimmt die Häufigkeit des Analkarzinoms jährlich um einige Prozent zu [2]. Die Inzidenz des Analkarzinoms liegt für Frauen ca. bei 1,9 von 100.000 bzw. 1,1 von 100.000 für Männer (Daten von 2012 [2]); der Altersgipfel liegt um die 60 Jahre. Ursächlich ist in 80 bis 85 % der Fälle eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) [3], hinzu kommen als Risikofaktoren Immunschwäche und Rauchen. Die Symptome ähneln oft denjenigen von Hämorrhoiden (z. B. Blut im Stuhl, Juckreiz, schmerzhafter Stuhlgang). Die frühesten Tumorstadien sind oft asymptomatisch und sie stellen einen Zufallsbefund dar bzw. werden bei der Darmkrebsvorsorge mittels Darmspiegelung erkannt.
Tumoren im Analkanal unterscheiden sich feingeweblich von Tumoren des übrigen Enddarmes. Während im Analkanal Plattenepithelkarzinome vorliegen, treten im übrigen Dickdarm Adenokarzinome auf. Bis zu den 1980er Jahren bestand die Therapie des Analkarzinoms in einer Operation, bei der meistens der gesamte Analkanal einschließlich des Schließmuskels entfernt und dementsprechend ein permanenter künstlicher Darmausgang angelegt werden musste [4]. Seitdem hat sich die Therapie drastisch gewandelt, der Einsatz der lokalen Strahlenchemotherapie macht inzwischen in den allermeisten Fällen eine Operation unnötig. Da Plattenepithelkarzinome des Analkanals besser auf eine Strahlenchemotherapie ansprechen als Adenokarzinome des Darms, stellt sie heute die Therapie der Wahl dar und ermöglicht oft eine funktionserhaltende Behandlung.
Standardbehandlung ist heute die simultane, kombinierte Strahlenchemotherapie, wodurch die 5-Jahres-Überlebensrate nach der Erstdiagnose eines Analkarzinoms abhängig vom Tumorstadium 70 bis über 90 Prozent beträgt [3, 5]. Die derzeitige Standardradiochemotherapie [4] umfasst die Bestrahlung des Tumors, der Leisten- und Beckenlymphknoten (Gesamtdosis von 50,4–59,4 Gy) und eine simultane intravenöse Chemotherapie (5-Fluorouracil an Tag 1–4 sowie Tag 29–32 und Mitomycin C an Tag 1 und 29). Durch immer modernere Bestrahlungstechniken wurden über die Jahre die Nebenwirkungen (besonders der Haut) deutlich reduziert.
Eine kürzlich publizierte retrospektive Studie [1] sollte nun anhand geeigneter früherer Studien (1987-2008) die Bedeutung bestimmter Strahlentherapie-bezogener Parameter im Hinblick auf die Therapieergebnisse, d. h. progressionsfreies 5-Jahres-Überleben (PFS), örtliche Tumorrückfälle
(lokoregionäre Rezidive) und Toxizität, evaluieren. In einer gepoolten Analyse von Patienteneinzeldaten
aus sieben großen, multimodalen Studien (Phase II und III; erste geeignete Studie von
1994) wurden dazu die Gesamtstrahlendosis, Bestrahlungsintervalle und Gesamtbestrahlungszeit
quantifiziert. 1.343 Patienten konnten in die Analyse einbezogen werden. Die lokale Rückfallrate in
den ersten 5 Jahren nach Therapie (22,8%) korrelierte signifikant positiv mit männlichem Geschlecht
(p=0,045), Größe der Ausgangstumoren (p<0,001) und einer längeren Gesamtbestrahlungszeit
(p=0,03). Das 5-Jahres-PFS lag bei 65,7%, das 5-Jahres-Gesamtüberleben bei 76,7%. Die besten
Überlebens-Raten (PFS sowie Gesamtüberleben) hatten Patienten mit weiblichen Geschlecht
(p<0,001), kleineren Ausgangstumoren (p<0,001 bzw. p=0,027) und kürzeren
Gesamtbestrahlungszeiten (p=0,025 bzw. p=0,026).
„Im Fazit ist und bleibt beim Analkarzinom die Radiochemotherapie der Goldstandard“, kommentiert
Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Die besondere Herausforderung
bei der Bestrahlung des Analkanalkarzinoms ist die kurative Zielsetzung bei möglichst optimalem
Funktionserhalt des Schließmuskels und möglichst geringen bzw. akzeptablen Nebenwirkungen an
Haut und Darmschleimhaut. Dies gelingt dank verbesserter und neuer radiologischer Techniken
immer besser.“
„Die Radioonkologie unternimmt vielfältige Anstrengungen, um die lokale Rückfallrate von ca. 22%
noch weiter zu verbessern“, ergänzt Univ.-Prof. Dr. Rainer Fietkau, Erlangen, Präsident der DEGRO.
„Dies erfolgt derzeit im Rahmen von Studien, bei der die Strahlenchemotherapie mit einer
Überwärmungstherapie (Hyperthermie) oder einer Immuntherapie kombiniert wird.“ So untersucht
die von der Deutschen Krebshilfe geförderte randomisierte Phase-2-Studie „RADIANCE“ unter
Federführung der Klinik für Strahlentherapie des Universitätsklinikum Frankfurt den Zusatznutzen
eines sogenannten PD-L1 Immuncheckpoint-Inhibitors zur Standardstrahlenchemotherapie [6] und
nach ersten ermutigenden Ergebnissen zum Nutzen der Kombinationstherapie aus
Strahlenchemotherapie und Hyperthermie [7] wurde in Erlangen die HyCAN-Studie, eine Phase-3-
Studie, gestartet.
„Doch Vorsorge ist besser als Therapie. Wir hoffen, dass durch die von der STIKO empfohlene HPVImpfung
aller Mädchen und Jungen in den kommenden Jahrzehnten die Rate an Analkarzinomen
deutlich senkt – die DEGRO appelliert daher an die Eltern, ihre Kinder im frühen Teenager-Alter
gegen HPV impfen zu lassen“, so der Experte.

Literatur[1] Rivin Del Campo E, Matzinger O, Haustermans K et al. Pooled Analysis of external-beam RADiotherapy
parameters in phase II and phase III trials in radiochemotherapy in Anal Cancer (PARADAC). Eur J Cancer 2019
Nov; 121:130-143[2] Buttmann-Schweiger N, Kraywinkel K. Reporting of colorectal cancer (ICD-10 C18-C21): Decline in colorectal
cancer incidence does not apply to temporal anal cancer trends in Germany. Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 1)
VII–191, ID 0330 Seite 69 (https://www.karger.com/Article/Pdf/444354)[3] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/anderekrebsarten/
analkrebs/haeufigkeit-anatomie-ursachen-und-vorbeugun.html[4] Loch H, Loch F. Analkarzinom. Coloproctology 2019; 4 Print ISSN: 0174-2442 Elektronische ISSN: 1615-
6730 https://doi.org/10.1007/s00053-019-0372-y[5] Bussen D. Nachsorge bei Analkarzinom: Was ist wichtig, was ist überflüssig? Onkologe 2007; 13: 1017–21[6] https://www.krebshilfe.de/informieren/presse/neues-aus-der-forschung/millionenfoerderung-fuerforschung-
zur-immuntherapie[7] Ott OJ, Schmidt M, Semrau S et al. Chemoradiotherapy with and without deep regional hyperthermia for
squamous cell carcinoma of the anus. Strahlenther Onkol 2019;195(7):607-614. doi: 10.1007/s00066-018-
1396x

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Beitrag von Degro, Kategorien Pressemitteilung, Februar 2020

Die Hochpräzisionsbestrahlung (Stereotaxie) auf dem Weg zur personalisierten Therapie

Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung (stereotaktische Bestrahlung) ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Behandlung von Tumoren und Metastasen – kurz: sie ermöglicht mehr Wirkung bei in etwa gleichem Nebenwirkungsprofil. Bei Bedarf, beispielsweise wenn ein Tumor inoperabel ist, kann eine Dosiseskalation zu ähnlichen Therapieergebnissen wie die operative Entfernung führen. Doch auch hier kommen personalisierte Aspekte wie die Anzahl der Metastasen oder die Tumorbiologie zum Tragen: Brustkrebspatientinnen mit sogenannten triple-negativen Tumoren sprechen beispielsweise kaum auf die Hochpräzisonsbestrahlung von Hirnmetastasen an. Laut DEGRO liegt hier ein weiteres Forschungsfeld offen.

Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Bestrahlung von Tumoren und Metastasen. Stereotaktische Bestrahlungsverfahren kommen bereits zur Behandlung von vereinzelten Hirnmetastasen, Lungenmetastasen oder bei lokal fortgeschrittem Leberkrebs (sogenanntes hepatozelluläres Karzinom) zum Einsatz. Die stereotaktische Bestrahlung erfolgt nach detaillierter 3D-Planung anhand von CT- und MRT-Bildern mit Berechnung des Bestrahlungsfelds. In manchen Fällen kann eine zusätzliche PET-Untersuchung sinnvoll sein. So kann sichergestellt werden, dass der Tumor mit hohen Strahlendosen behandelt wird, das umliegende gesunde Gewebe aber weitgehend geschont bleibt, auch das Gewebe, durch das die Strahlen bis zum Zielgebiet hindurchgehen. Denn erst dort entlädt sich die Strahlenenergie und entfaltet ihre Anti-Tumor-Wirkung. Man spricht bei der stereotaktischen Bestrahlung auch von „Radiochirurgie“, wenn die Abtragung (Ablation) des Tumorgewebes so gründlich und millimetergenau wie mit dem Skalpell erfolgen kann. Dies erfolgt dann oft in einer einzigen Behandlungssitzung. „Eine ablative Hochpräzisionsbestrahlung ist heute oftmals genauso effektiv wie eine Metastasen-Operation, aber nicht-invasiv und daher sicherer für die Patienten“, betonte Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO, heute auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin.
Die Hochpräzisionsbestrahlung muss sorgfältig vorbereitet werden. Das Bestrahlungsfeld und der Einfallwinkel werden millimetergenau berechnet. Es stehen verschiedene spezielle Geräte zur Verfügung, die je nach klinischer Indikation zum Einsatz kommen können. Neben dem Gerät ist jedoch die ausgewiesene Erfahrung des Radioonkologen bei der Anwendung von hohen Strahlendosen essenziell. Der Patient wird während der Behandlung mit einer speziell auf ihn angepassten Lagerungshilfe gelagert. Es erfolgt die Bildgebung mit einem zeitaufgelösten CT, um die genaue Positionen des Tumors/der Metastasen zu erfassen. Moderne Techniken ermöglichen es auch, die Atemphasen zu erfassen und diese Bewegung auszugleichen. Die Lagerung des Patienten wird vor jeder Bestrahlung erneut mit einem CT überprüft. Bei Bestrahlung von Hirnmetastasen erfolgt eine Fixierung des Kopfes in einer speziellen Maske.
Stereotaxie ermöglicht Dosiseskalation
Das Potenzial der stereotaktischen Bestrahlung untermauerte erneut eine Anfang des Jahres publizierte retrospektive Analyse [1] von 317 Patienten mit Lungenmetastasen. Sie wurden in zwei Gruppen unterteilt (weniger als drei Metastasen, drei und mehr Metastasen). Das 1-Jahres-
Gesamtüberleben betrug in der Gruppe mit weniger als drei Metastasen 74,2% und in der Gruppe mit drei oder mehr Metastasen 59,3% (2-Jahres-Gesamtüberleben: 47,7% vs. 35,1%), die Rückfallrate (Rate an neuen Metastasen in der Lunge) war reduziert – sie betrug in der Gruppe mit wenig Metastasen nach 12 Monaten 22,5%, in der anderen Gruppe 50,8% (nach zwei Jahren: 31,8% vs. 61,4%). Die Nebenwirkungsrate war akzeptabel, lediglich bei 14% aller Patienten kam es zu einer Entzündung des Lungengewebes (Pneumonitis). „Die stereotaktische Bestrahlung erwies sich insgesamt als effektiv und sicher. Die Studie zeigt auch, dass es vor allem die Patienten mit wenigen Metastasen waren, die sehr gut auf die Therapie ansprachen“, schlussfolgerte die Expertin.
Das Verfahren der Stereotaxie ermöglicht, Tumoren/Metastasen bei Bedarf mit höheren Dosen zu bestrahlen. Eine im November letzten Jahres vorab online publizierte Studie [2] hatte den Effekt einer hochdosierten vs. niedriggdosierten stereotaktischen Bestrahlung bei Lebermetastasen untersucht. Die 90 Patienten hatten entweder eine Dosis von 100 Gy oder weniger erhalten oder eine Strahlendosis über 100 Gy. Die lokale Tumorkontrollrate war in der hochdosierten Patientengruppe signifikant besser 67% vs. 94,6% nach einem Jahr (p=0,004). Auch das 1- und 2-Jahresüberleben unterschied sich deutlich zwischen den Gruppen (p=0,007). In der Hochdosisgruppe betrug es 96% und 85%, bei den mit niedriger Dosis bestrahlten Patienten 70,8% und48,1%. Die Rate an schweren Nebenwirkungen ( Grad 3 und mehr) unterschied sich hingegen nicht zwischen den Gruppen (p=0,23). „Es zeigte sich, dass eine Dosiseskalation zu einem besseren Therapieergebnis bei gleicher Verträglichkeit führte. Die Hochpräzisionsbestrahlung mit Höchstdosen stellt eine gute Therapiealternative dar, insbesondere, wenn die operative Entfernung der Metastasen nicht möglich ist“, so die Einschätzung von Prof. Combs.
Intelligente Kombination: Immuntherapie kombiniert mit Hochpräzisionsbestrahlung
Der Einsatz der Immuntherapie hat es möglich gemacht, dass viele Tumorerkrankungen geheilt oder in eine chronische Erkrankung umgewandelt werden können. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass die Wirksamkeit der Immuntherapie durch ein lokale Strahlentherapie verstärkt werden kann [3, 4]. Die stereotaktische Behandlung von Hirnmetastasen, aber auch die Behandlung von extrakraniellen Läsionen mittels Stereotaxie kann sicher mit einer Immuntherapie kombiniert werden und dann den Behandlungserfolg verstärken.
Personalisierter Einsatz der Stereotaxie bei Brustkrebspatientinnen mit Hirnmetastasen: Tumorbiologie stellt die Weichen
Die stereotaktische Hochpräzisionsbestrahlung erwies sich als effektiv bei der Behandlung von Hirnmetastasen bei Brustkrebspatientinnen. Bereits vor fünf Jahren untersuchte eine wegweisende Studie [5] das Verfahren und analysierte den Behandlungserfolg je nach Tumorbiologie (Östrogenrezeptorstatus, HER2-Status). Obwohl die Patientinnen bis zu 5 Metastasen hatten, konnte eine 2-Jahres-Überlebensrate von bis zu 50% in der Gruppe, die Östrogenrezeptor (ER)- und HER2-positiv waren, erreicht werden. Bei denen mit nur einem positiven Faktor (entweder ER+ oder HER2+) wurde eine 2-Jahresüberlebensrate von 33-46% erreicht. Lediglich die Gruppe der Patientinnen mit sogenannten triple-negativen Tumoren sprach nicht, bzw. nur sehr schlecht auf die Therapie an (2-Jahresüberleben von 6%).
„Das zeigt, dass die Tumorbiologie auch entscheidend für den Erfolg der Hochpräzisionsbestrahlung ist und hier noch ein weiteres Forschungsfeld offenliegt. Wir müssen untersuchen, welche molekularen Faktoren einen Tumor strahlenresistent machen – und wo selbst der Einsatz der
Hochpräzisionsbestrahlung mit Höchstdosen wenig bringt. Wichtig ist eine hohe Expertise und Erfahrung des Behandlers. Kombinationstherapien sollten in der Hand von spezialisierten Zentren bleiben, um ein sichere Anwendung zu ermöglichen. Wissenschaftliche Evaluationen sind essenziell; wir müssen Patienten, die gut ansprechen, anhand der Tumormerkmale charakterisieren und bei ihnen Vergleichsstudien zwischen der stereotaktischen Bestrahlung und der operativen Entfernung von Metastasen und Tumoren durchführen“, erklärte die Expertin abschließend.

Literatur
[1] Pasalic D, Lu Y, Betancourt-Cuellar SL et al. Stereotactic ablative radiation therapy for pulmonary metastases: Improving overall survival and identifying subgroups at high risk of local failure. Radiother Oncol. 2020 Feb 7;145:178-185. doi: 10.1016/j.radonc.2020.01.010. [Epub ahead of print] [2] Kok END, Jansen EPM, Heeres BC et al. High versus low dose Stereotactic Body Radiation Therapy for hepatic metastases. Clin Transl Radiat Oncol. 2019 Nov 27;20:45-50. doi: 10.1016/j.ctro.2019.11.004.[3] Eric J Lehrer , Heather M McGee , Jason P Sheehan et al. Integration of Immuno-Oncology With Stereotactic Radiosurgery in the Management of Brain Metastases. J Immunother Cancer. 2020 Feb 12 [Online ahead of print] doi: 10.1007/s11060-020-03427-6.[4] Dawei Chen, Hari Menon , Vivek Verma et al. Response and Outcomes After anti-CTLA4 Versus anti-PD1 Combined With Stereotactic Body Radiation Therapy for Metastatic Non-Small Cell Lung Cancer: Retrospective Analysis of Two Single-Institution Prospective Trials, J Immunother Cancer. 2020 Jan; 8(1). pii: e000492. doi: 10.1136/jitc-2019-000492.[5] Cho E, Rubinstein L, Stevenson P et al. The use of stereotactic radiosurgery for brain metastases from breast cancer: who benefits most? Breast Cancer Res Treat. 2015 Feb;149(3):743-9. doi: 10.1007/s10549-014-3242-x. Epub 2015 Feb 1.

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Beitrag von Degro, Kategorien Pressemitteilung, Juni 2017

Strahlentherapie wird als Ersttherapie bei Prostatakrebs noch immer unterschätzt

Viele Männer mit Tumoren, die auf die Prostata begrenzt sind und keine Metastasen gebildet haben, entscheiden sich immer noch für die Operation als „Firstline“-Therapie. Und dies, obwohl die Strahlentherapie ebenso effektiv wie die OP ist und mit einer geringeren Inkontinenz- und Impotenzrate einhergeht. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Berlin wurde daher u.a. diskutiert, wie die moderne Strahlentherapie als Ersttherapie stärker in den Fokus der Patienten und Behandler gerückt werden kann.

Jedes Jahr erhalten in Deutschland fast 65.000 Männer die Diagnose Prostatakrebs. Nicht allein die Erkrankung ist ein Schock für die Betroffenen, viele Patienten fühlen sich auch überfordert, wenn sie relativ zügig eine Therapieentscheidung fällen sollen. In den frühen, nicht-metastasierten Erkrankungsstadien, in denen Prostatakrebs am häufigsten diagnostiziert wird, haben die Patienten die Wahl zwischen Operation, Strahlentherapie und des „Zuwartens“ mit engmaschigem Beobachten („active surveillance“, eine aktive Therapie wird erst eingeleitet, wenn der Tumor zu wachsen beginnt). Der behandelnde Urologe berät den Patienten und klärt über die Vor- und Nachteile aller Verfahren auf, die bisher medizinisch als etwa gleichwertig eingestuft wurden.
Doch hier liegt möglicherweise ein „Bias“ im System, denn der beratende Urologe kann nur eine der angebotenen Therapieformen selbst durchführen: die Operation. Die Mehrzahl der Patienten in Deutschland entscheidet sich für den chirurgischen Eingriff, was aber nicht an einer unausgewogenen Aufklärung der Kollegen liegt, sondern vor allem psychologisch erklärbar scheint: Der Patient fasst Vertrauen zu dem Arzt, den er ggf. seit Jahren kennt, der ihm die Diagnose vermittelt und mit ihm die möglichen Therapiewege bespricht – und da liegt es nahe, dass der Patient auch eher die Therapieform wählt, die dieser Arzt selbst durchführen könnte. „Das ist vermutlich der Grund, warum die Strahlentherapie als „Firstline“-Therapie bei Prostatakrebs unterrepräsentiert ist, obwohl sie ebenso gute Ergebnisse zeigt und mit weniger Neben- und Folgewirkungen einhergeht als die OP, wie die ProtecT-Studie im vergangenen September gezeigt hat“, erklärt Prof. Dr. Daniel Zips vom Universitätsklinikum Tübingen.
In der ProtecT-Studie [1, 2] wurden 1.643 Patienten eingeschlossen und randomisiert. Nach zehn Jahren zeigte sich, dass die Patienten im Hinblick auf Erkrankungsprogression und Metastasierung von einer frühzeitigen Intervention (Operation oder Strahlentherapie) profitierten. Zwischen der Operation und Strahlentherapie gab es hinsichtlich der Wirksamkeit keine signifikanten Unterschiede, aber die Operation ging mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Sexual- und der Harnwegsfunktion einher. Nach sechs Jahren waren 17% der operierten Patienten noch inkontinent (im Vergleich zu 4% der bestrahlten Patienten) und bei 22% konnte sich keine Erektion einstellen (im Vergleich zu 12% der bestrahlten Patienten). „Beides, Inkontinenz und Impotenz, sind Therapiefolgen, die die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen können und in einem deutlich geringeren Maße nach der Strahlentherapie auftreten. Die muss im Zusammenhang mit den etwas häufiger nach Bestrahlung auftretenden Nebenwirkungen am Darm mit den Patienten diskutiert werden“, so Professor Zips.
Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radiologie (DEGRO), sieht daher Bedarf, die Öffentlichkeit über die radioonkologische Behandlung zu informieren. „Die Strahlentherapie wird als „Firstline“-Therapie bei Tumoren, die auf die Prostata begrenzt sind und keine Metastasen gebildet haben, unterschätzt. Die wenigsten Patienten wissen, dass sie ebenso effizient ist wie die Operation, aber mit weniger Folgekomplikationen einhergeht. Die DEGRO setzt sich dafür ein, dass die Strahlentherapie in der Therapie des Prostatakarzinoms in ihrer ganzen Bandbreite wahrgenommen wird und eben nicht nur als `Salvage-Therapie´ nach Rückfall erwogen wird.“ Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Berlin wurde daher diskutiert, wie die moderne Strahlentherapie als Ersttherapie stärker in den Fokus der Patienten und Behandler gerückt werden kann. Dabei ging es neben Aspekten der interdisziplinären  Versorgung auch um die Information der Öffentlichkeit über erfolgreiche Innovationen wie der bildgeführten Strahlentherapie und der Hypofraktionierung [3].

Referenzen[1] Hamdy FC; Donovan JL, Lane JA et al. 10-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Localized Prostate Cancer. N Engl J Med 2016; 375:1415-1424 [2] Donovan JL und die ProtecT Study Group. Patient-Reported Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med. 2016; 1425-1437 [3] Höcht S, Aebersold DM, Albrecht C et al. Hypofractionated radiotherapy for localized prostate cancer. Strahlenther Onkol 2017 ;193: 1-12

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Beitrag von DEGRO, Juni 2019

Hochpräzisionsbestrahlung ersetzt Metastasen-OP

Die sogenannte ablative Strahlentherapie kann mit der Technik der Stereotaxie Tumor oder Metastasen mit der gleichen Präzision eines Skalpells entfernen. Das Verfahren ist bereits bei Hirntumoren und Hirnmetastasen im Einsatz und kann offensichtlich auch bei bestimmten Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) eine wirksame und sogar nebenwirkungsärmere Option darstellen. Darüber hinaus ist der kombinierte Einsatz von Bestrahlung und zielgerichteten Medikamenten ein vielversprechender Ansatz für die Zukunft, wie Studiendaten zeigen, die auf der DEGRO-Jahrestagung in Münster vorgestellt werden.

Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Bestrahlung von Tumoren und Metastasen. Man spricht hier auch von „Radiochirurgie“, da die Abtragung (Ablation) des Tumorgewebes so gründlich und millimetergenau wie mit dem Skalpell erfolgen kann. „Eine ablative Hochpräzisionsbestrahlung ist heute oftmals genauso effektiv wie eine Metastasen-Operation, aber nicht-invasiv und daher sicherer für die Patienten“, erklärt Prof. Dr. Matthias Guckenberger, Direktor der Klinik für Radioonkologie, UniversitätsSpital Zürich. „Beim NSCLC ist bei bis zur Hälfte der Patienten die Metastasierung auf wenige Absiedlungen begrenzt [1] und dann kann mit einer Radiochirurgie und begleitenden systemischen Therapie bei einem Teil der Patienten eine Heilung erzielt werden.“

Stereotaktische Bestrahlungsverfahren kommen bereits als Standardbehandlung zur Behandlung von vereinzelten Hirnmetastasen zum Einsatz. Hierzu werden auf dem DEGRO-Kongress die Ergebnisse einer Umfrage aus dem deutschsprachigen Raum vorgestellt [2]. Ziel war es, einen aktuellen Überblick über die Praxis der Therapieplanung und -durchführung sowie unterschiedliche Zielvolumendefinitionen und Dosiskonzepte zu erhalten. Den 1.408 DEGRO-Mitgliedern wurde
zwischen Dezember 2018 und Januar 2019 ein E-Mail-basierter Fragebogen zugesandt. 132 ärztliche Teilnehmer antworteten, davon 120 Fachärzte (darunter 25 Chefärzte und 16 Praxisinhaber). Das Ergebnis zeigte zwischen den Behandlungszentren Unterschiede in einzelnen Details der radiochirurgischen Behandlung – beispielsweise bei der Lagerungskontrolle der Patienten oder der Bestrahlungsplanung (Kontrastmitteleinsatz, CT-Schichtdicke, Verschreibungsdosen und
Fraktionierungs-Schemata). Als Ursachen für diese heterogenen Behandlungskonzepte wurden unterschiedliche Hardware, zentrumseigene Erfahrungen sowie institutionelle Besonderheiten ermittelt bzw. diskutiert. Insgesamt war das Qualitätsniveau radiochirurgischen Behandlung im gesamten deutschsprachigen Raum flächendeckend sehr hoch. Prof. Dr. Matthias Guckenberger ergänzt: „Wir wünschen uns für die Zukunft eine deutschland- oder europaweite Datenbank, in der die Vorgehensweisen und alle Ergebnisse erfasst und gemeinsam analysiert werden können. Ziel muss ein, zukünftig Leitlinien für die stereotaktische Bestrahlung zu erstellen, damit unsere Patienten von einer bestmöglichen und gleichzeitig sicheren Therapie profitieren können.
Insbesondere die Kombination der stereotaktischen Radiotherapie (SRT) mit medikamentösen Immun- bzw. zielgerichteten Therapien zeigt vielversprechende Ergebnisse: Radiochirurgie zum Abtöten der großen, sichtbaren Metastasen und die medikamentöse Therapie zum Abtöten von Absiedlungen, die so klein sind, dass sie noch nicht sichtbar sind. Dazu wird aktuell auf dem Kongress in Münster eine internationale Registerstudie (TOaSTT) von Patienten mit oligoresistentem oder oligoprogressivem NSCLC vorgestellt [3]. Es gab drei Studiengruppen: Patienten mit SRT von maximal fünf Metastasen ohne zusätzliche Metastasierung (Oligoprogression), Patienten mit SRT von maximal fünf fortschreitenden Metastasen bei sonstiger Metastasenkontrolle (Oligopersistenz) und Patienten mit SRT von maximal fünf Metastasen bei nicht-kontrollierter Erkrankung. Die Bestrahlung erfolgte höchstens 30 Tage nach der medikamentösen Therapie. Insgesamt wurden 192 Mettastasen bei 108 Patienten bestrahlt (2009-2018). Nachgewiesene „treibende“ Genmutationen betrafen bei 41% den EGFR („Epidermal-Growth
Factor Receptor“), ALK-Mutationen in 14% und sonstige bei 21%. Die zielgerichteten Therapien waren in 60% Tyrosinkinaseinhibitoren, in 31% sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren und in 8% Bevacizumab (ein Angiogenesehemmer). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 18,7 (1-102) Monaten wurde in allen drei Gruppen eine hohe lokale Tumorkontrolle erreicht. Das mediane progressionsfreie Überleben war in Gruppe 1 (Oligoprogression) mit 20 Monaten am besten – gegenüber 7 Monaten (bei Oligopersistenz) und 4,4 Monaten (bei nicht-kontrollierter Erkrankung).
Nach einem Jahr wurde die vorherige medikamentöse Therapie in den Gruppen bei 86%, 47% und 39% fortgesetzt. Akute schwerere Nebenwirkungen gab es in 7%, Spättoxizität in 4% der Fälle. „Zusammenfassend konnte bei NSCLC-Patienten durch die stereotaktische Bestrahlung von vereinzelten Metastasen, die Resistenzen gegen die systemische Therapie entwickelt hatten, diese ansonsten wirksame und gut verträgliche Immuntherapie oder zielgerichtete Therapie fortgesetzt werden, was ein sehr gutes Überleben bei akzeptabler Toxizität erzielte“, so Prof. Guckenberger. „Man geht inzwischen von einem über den rein additiven Effekt hinausgehenden, synergistischen Effekt zwischen Immun- und Strahlentherapie aus, der unbedingt in großen Studien weiter untersucht werden sollte“, ergänzt Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Die Strahlentherapie wird vor diesem Hintergrund in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Durch sie kann die Wirksamkeit moderner Krebsmedikamente maximiert werden.“

Literatur[1] Torok J, Kelsey C, Salama J et al. Patterns of Distant Metastases in Surgically Managed Early-Stage Non-Small Cell Lung
Cancer. IJROBP 2013; 87(2): Supp S528–S529[2] Mayinger M, Kraft J, Willmann J et al. Guckenberger M. Stereotaktische Radiotherapie von cerebralen Metastasen –
Patterns of care Analyse im Deutschsprachigen Raum. DEGRO-Kongress 2019; VS10-5-jD[3] Kroeze S, Fritz C, Kaul D et al., Guckenberger M. Stereotactic radiotherapy concurrent to immune- or targeted therapy
for oligometastatic NSCLC: clinical scenarios affecting prognosis. DEGRO-Kongress 2019; VS15-1-jD

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Beitrag von DEGRO, Juni 2019

Strahlentherapie beim Hodgkin-Lymphom – ist weniger manchmal mehr?

Das Hodgkin-Lymphom, eine Form des Lymphdrüsenkrebses, ist eine der häufigsten Krebserkrankungen im jungen Erwachsenenalter. Durch moderne Behandlungskonzepte sind die Heilungsaussichten heute groß und die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei mehr als 90%. Mögliche Spätfolgen der Behandlung – wie Organschäden und Zweitmalignome – erlangen dadurch zunehmende Bedeutung für die Lebensqualität und Langzeitmortalität. Entsprechend wird in klinischen Studien eine mögliche Therapie-Deeskalation erprobt. Der aktuelle Behandlungsstandard des Hodgkin-Lymphoms sowie aktuelle Perspektiven der klinischen und experimentellen Forschung werden auf dem diesjährigen Jahreskongress der DEGRO thematisiert.

Das Hodgkin-Lymphom (auch Morbus Hodgkin) gehört zu den bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems und befällt in erster Linie die Lymphknoten. Aber auch andere Organe wie die Milz oder die hinter dem Brustbein gelegene Thymusdrüse, die Lunge, das Knochenmark oder die Leber können betroffen sein. Die jährliche Inzidenz beträgt 2-3/100.000 [1], sodass das Hodgkin-Lymphom eine der häufigsten Krebserkrankungen junger Erwachsener ist (mittleres Alter 42-44 Jahre, zwei Erkrankungsgipfel: bei 20-30 Jahren und nach dem 55. Lebensjahr). Die Erkrankung ist heute mehrheitlich heilbar und das 5-Jahresüberleben beträgt über 90%. Das war nicht immer so – die Anfänge der Hodgkin-Therapie reichen in die frühen 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, als man entdeckte, dass eine Heilung allein mit einer Strahlentherapie möglich ist. Diese bemerkenswerte Historie wird Prof. Richard Hoppe, Stanford/ USA, in einer „Keynote Lecture“ illustrieren. Prof. Hoppe gilt als ein Pionier und Vorreiter der Hodgkin-Behandlung und ist weltweit ein gern gesehener Gast auf radioonkologischen Kongressen.

Aktuell werden Hodgkin-Lymphome meist kombiniert mittels Strahlen- und Chemotherapie, entsprechend der S3-Leitlinie [2], behandelt. Das gute Überleben nach einer modernen Hodgkin-Therapie wirft die Frage auf, inwieweit die Therapieintensität und damit langfristige Folgen (wie Herz- und Lungenschäden oder Sekundärtumoren) zu verringern sind, bei gleichzeitigem Erhalt der exzellenten Behandlungsergebnisse.
„Um die therapieassoziierte Morbidität und Mortalität zu senken, wird seit mehr als 30 Jahren in großen Studien an der Optimierung bzw. Minimierung der Therapie geforscht – ohne dass dabei Effektivitätseinbußen riskiert werden düfen“, erläutert Prof. Dr. Hans Eich, Tagungspräsident des DEGRO-Kongresses 2019 und Direktor der Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der Universitätsklinik Münster. Er ist zudem stellvertretender Leiter der Referenzstrahlentherapie der Deutschen Hodgkin Lymphom Studiengruppe (GHSG) und Mitglied des Steering Committee der International Lymphoma Radiation Oncology Group (ILROG), Vorstandsmitglied des Kompetenznetzes Maligne Lymphome e.V. (KML) sowie Mitglied des Leitungsgremiums der German Lymphoma Alliance (GLA).
Weitere Keynote-Speaker sind dieses Jahr Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Engert, Köln und Prof. Dr. Umberto Ricardi, Turin/Italien. Prof. Engert, Chairman und Leiter der GHSG, wird „Aktuelle Ergebnisse und Perspektiven der Deutschen Hodgkin-Lymphom Studiengruppe“ vortragen [3]. Die GHSG (mit ihrer Zentrale in Köln) vernetzt über 400 Tumorzentren aus fünf europäischen Ländern. „Die GHSG konnte bereits über 20.000 Patienten in Studien einschließen – eine respektable Zahl wie sie in diesem Umfang weltweit nur selten anzutreffen ist“ betont Prof. Eich.
Die 16. Studie der GHSG (HD16) [4] ist eine randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie und untersucht eine mögliche Individualisierung der risikoadaptierten Chemo- und Strahlentherapie für Patienten mit frühen Stadien des Hodgkin Lymphoms in der Primärtherapie. Patienten im Alter von
18-75 Jahren mit der Erstdiagnose eines Hodgkin-Lymphoms wurden randomisiert in eine Standard- und eine experimentelle Gruppe eingeteilt. Alle erhielten gleichermaßen zwei ABVD-Chemotherapie-Zyklen (Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin). Danach erfolgte eine Untersuchung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Kontrolle des Therapieansprechens auf ABVD. Die Patienten des Standardarms erhielten ungeachtet dessen alle eine Bestrahlung als involved-field Bestrahlung mit 20 Gy. Im experimentellen Arm wurden nur die Patienten mit 20 Gy bestrahlt, die PET-positiv waren, d. h. die noch stoffwechselaktive (metabolische) Tumorreste in der Bildgebung aufwiesen. PET-negative Patienten wurden nicht bestrahlt. Studienziel war es zu evaluieren, ob die PET-stratifizierte Therapie gegenüber der kombinierten Chemo-Strahlentherapie hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens nicht unterlegen ist. Nach der Präsentation erster Ergebnisse auf dem internationalen Hodgkinkongress im letzten Jahr wird die Publikation dieser innovativen Studie in Kürze erwartet. „Konzepte zur Minimierung der Toxizität ohne Verschlechterung der Therapieeffektivität können künftig entscheidend zu den Langzeitergebnissen der Hodgkin-
Behandlung beitragen“, so Prof. Eich. „Dennoch wird bei einem nicht unerheblichen Teil der Patienten die Bestrahlung für eine Heilung weiterhin erforderlich sein. Wir hoffen, künftig diese Patienten bereits im Vorfeld PET-diagnostisch zu identifizieren.“
Die Therapieintensität muss sorgsam abgewogen werden, um nicht durch Langzeittoxizitäten die gute Langzeitprognose zu belasten. Es gibt jedoch auch besonders aggressive Tumorarten. Prof. Ricardi, Turin/Italien, Präsident der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO – European Society for Radiotherapy and Oncology) wird im Rahmen einer weiteren „Keynote Lecture“ einen Vortrag zur „Rolle der Strahlentherapie bei aggressiven Lymphomen“ halten [5]. Außerdem wird ihm auf dem Jahreskongress die DEGRO-Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Neben besonders aggressiven Lymphomarten stellen therapieresistente Verläufe sowie Rückfälle (Rezidive) des Hodgkin-Lymphoms eine große Herausforderung für die Behandlung dar, da das optimale Vorgehen in diesen Situationen nicht abschließend geklärt ist. Eine weitere Studie, die auf dem DEGRO-Kongress vorgestellt wird [6], untersuchte bei 17 Patienten eines Zentrums die Rezidivmuster des Hodgkin-Lymphoms und analysierte dabei die klinische Bedeutung der
Radiotherapie. Zum Rezidiv kam es im Median nach zwei Jahren. Frühe Hodgkin-Stadien hatten ein mittleres rezidivfreies Überleben von 7,8 Jahren, intermediäre und fortgeschrittene Stadien hingegen nur von 1,6 und 2,2 Jahren. Bei Patienten, die eine Strahlentherapie erhalten hatten, traten die
Rezidive später auf als ohne Bestrahlung (Median 2,8 gegenüber 1,3 Jahren). Etwa die Hälfte der Rezidivpatienten wurde bestrahlt und auch bei einem zweiten Rezidiv erhielten viele Patienten eine erneute Strahlentherapie. „Die Strahlentherapie als Lokaltherapie hat somit auch bei der Rezidivbehandlung des Hodgkin-Lymphoms eine wichtige Rolle“, kommentiert Prof. Eich.
Weitere wissenschaftliche Beiträge zum Hodgkin-Lymphom auf dem Jahreskongress der DEGRO befassen sich mit dem „Pro und Kontra“ einer intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT), mit dem Stellenwert der Radiotherapie bei Kindern sowie der Protonenbestrahlung von Befällen im
Mittelfellraum (Mediastinum). Im Fall der Protonentherapie stellt das „Pencil Beam Scanning (PBS)“ eine neue Technik dar [7], um auch Patienten mit besonders hohem Risiko für Strahlenschäden effektiv und sicher zu behandeln.
„Zusammenfassend liegen die Studienschwerpunkte beim Morbus Hodgkin heute auf der Therapie-Deeskalation für frühe Erkrankungsstadien“, so Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Zudem müssen die Therapieempfehlungen für intermediäre und fortgeschrittene Stadien sowie bei Rezidiven konkretisiert und optimiert werden.“ Sie ergänzt abschließend: „In allen Fällen bleibt natürlich eine gute Nachsorge essenziell für die Patienten, damit Rezidive und späte Therapietoxizitäten rechtzeitig erkannt und behandelt werden.“

Literatur
[1] Rancea M, Engert A, von Tresckow B et al. Hodgkin’s lymphoma in adults: diagnosis, treatment and follow-up. Dtsch
Arztebl Int 2013; 110 (11): 177-83, 183e1-3
[2] https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hodgkin-lymphom/
[3] Engert A. Aktuelle Ergebnisse und Perspektiven der Deutschen Hodgkin-Lymphom Studiengruppe (GHSG). HL03-2 –
DEGRO-Kongress Münster 2019
[4] Baues C. Stellenwert der konsolidierenden Involved Field Radiotherapie in frühen Stadien des Hodgkin Lymhoms
Endauswertung der HD 16 Studie. SY21-2 – DEGRO-Kongress Münster 2019
[5] Ricardi U. The role of radiotherapy in aggressive lymphoma. HL03-1 – DEGRO-Kongress Münster 2019
[6] Oertel M, Kriz J, Kerkhoff A et al. Rezidivmuster des Hodgkin-Lymphoms – eine klinische Analyse zur Bedeutung der
Radiotherapie. P13-4-jD – DEGRO-Kongress Münster 2019
Außerdem in: Constine LS, Yahalom J, Ng AK et al. The Role of Radiation Therapy in Patients With Relapsed or Refractory
Hodgkin Lymphoma: Guidelines From the International Lymphoma Radiation Oncology Group. Int J Radiat Oncol Biol Phys
2018; 100 (5): 1100-18
[7] Dědečková K, Kubeš J, Zapletalová S et al. Protonenbestrahlung mit der Technologie Pencil Beam Scanning für Patienten
mit mediastinalem Hodgkin Lymphom: Akute Toxizität und kurzfristige therapeutische Ergebnisse. VS06-1 – DEGRO-
Kongress Münster 2019

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Beitrag von DEGRO, Juni 2019

Strahlentherapie im Alter – Fokus auf die Lebensqualität

Die Altersentwicklung in Deutschland wird künftig für die medizinische Versorgung eine Herausforderung darstellen. Gerade bei der Krebsbehandlung wird zurzeit diskutiert, wie mit dem „grauen Tsunami“, der erwarteten drastischen Zunahme älterer Patienten, umzugehen ist. Im Rahmen patientenzentrierter, interdisziplinärer Versorgungskonzepte ist die Strahlentherapie eine effektive Möglichkeit, Leben zu verlängern ohne dabei die Lebensqualität zu beeinträchtigen. Wie wichtig aber ein spezialisiertes, individuelles geriatrisch-onkologisches Betreuungskonzept für die Lebensqualität in der Zeit nach der Bestrahlung ist, zeigen nun Daten aus der PIVOG-Folgestudie – vorgestellt auf dem DEGRO-Kongress 2019.

Die wachsende Zahl alter Menschen bringt für etliche medizinische Bereiche Herausforderungen mit sich – in diesem Kontext wird im deutschen Sprachraum oft vom „grauen Tsunami“ gesprochen (analog zu „Silver Tsunami“). In Europa weist Deutschland neben Italien die älteste Bevölkerung auf [1]: Über 20% der Einwohner sind hier älter als 65 Jahre. Innerhalb Deutschlands gibt es relativ große regionale Unterschiede mit „Hot Spots“ der Überalterung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Da es entsprechend auch immer mehr und immer ältere Krebspatienten bis jenseits von 80 Jahren gibt, ist gerade die Versorgung der alten und sehr alten geriatrisch-onkologischen Patienten ein besonders drängendes Problem.

Für diese Patienten ist neben einer Lebensverlängerung die unmittelbare, aktuelle Lebensqualität durch bzw. während der Krebstherapie besonders wichtig. Es ist individuell zu prüfen, ob und wie ein alter Mensch von einer Krebstherapie optimal profitieren kann. „Eine kalendarische Altersgrenze für eine Therapie wird es dabei nie geben, da das biologische Alter entscheidend ist – so können 80-Jährige wie Anfang 70, aber auch wie über 90 Jahre anmuten“, erklärt Prof. Dirk Vordermark, Direktor der Universitätsklinik für Strahlentherapie in Halle. Das Vorgehen sollte mit dem Patienten und ggf. den Angehörigen gemeinsam besprochen werden, davor müssen alle geriatrischen Aspekte beurteilt werden („geriatrisches Assessment“). Wenn es bei der jeweiligen Tumorart möglich ist, fällt
bei alten Menschen häufig die Entscheidung zugunsten einer, meistens alleinigen, Strahlentherapie, aber die Kombination mit einer milden Chemotherapie ist möglich. „Das bedeutet aber nicht, dass wir nur palliativ bestrahlen – eine kurative Zielsetzung ist ungefähr bei der Hälfte der Patienten noch möglich“, betont Prof. Vordermark. „Eine Bestrahlung ist hocheffektiv, aber dennoch gut verträglich bzw. nebenwirkungsarm – beispielsweise im Vergleich zu vielen zur Wahl stehenden Chemotherapien. So ist beispielsweise bei alten und hochaltrigen Patienten im Frühstadium des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms die Hochpräzisionsbestrahlung bereits etabliert und so gut verträglich, dass nach einer neuen Studie [2] selbst zusätzliche Informationen des geriatrischen Assessments nur einen geringen Einfluss auf die Behandlungsergebnisse einschließlich der Lebensqualität während der Bestrahlungszeit hatten.“
Während in der Bestrahlungsphase die Lebensqualität hochaltriger Patienten in der Regel durch gute Planung, Überwachung und eventuelle Supportivmaßnahmen gut zu stabilisieren ist, so lässt sich jedoch nach dem Ende der Therapie über Monate hinweg häufig eine deutliche Verschlechterung der
Lebensqualität beobachten [3] – woraus abzuleiten ist, dass hier spezifische Versorgungskonzepte entwickelt werden müssen. Die PIVOG-Studie [4] konnte
erstmals zeigen, dass einer Verschlechterung der Lebensqualität in der Zeit nach der Therapie mit einer komplexen Intervention vorgebeugt werden kann („patientenzentriertes interdisziplinäres Versorgungskonzept für onkologisch-geriatrische Patienten“, PIVOG). Sie untersuchte und belegte den Nutzen eines geriatrischen Assessments mit patientenberichteter Lebensqualität und regelmäßiger telefonischer Nachsorge bzw. Befragung und individueller Beratung durch eine onkologische Fachpflegekraft. Die PIVOG-Studie wurde im Dezember 2018 mit dem „Lilly Quality of Life Preis“ (1. Preis) ausgezeichnet.
Aktuell wurde auf dem DEGRO-Kongress eine weiterführende Arbeit in Folge der PIVOG-Studie vorgestellt [5]. Die prospektive Beobachtungsstudie sollte beeinflussbare Faktoren identifizieren, die sich in der Zeit nach der Krebstherapie bei alten und sehr alten Menschen negativ auf die Lebensqualität auswirken – besonders im Hinblick auf die körperliche Funktionalität. 40 Tumorpatienten (16 Frauen, 24 Männer) im Alter von mindestens 65 Jahren (im Mittel 74,4 Jahre)
wurden vor dem Beginn einer Strahlentherapie sowie nach sechs und (noch ausstehend) zwölf Monaten untersucht. Am häufigsten war Lungenkrebs (n=19), 26 Patienten erhielten eine kombinierte Strahlenchemotherapie. Dokumentiert wurden Assessment-basierte und patientenberichtete Angaben (mündliche sowie postalische Befragungen). Dazu gehörten unter anderem basale und erweiterte Alltagskompetenzen (ADL/Activities of Daily Living und IADL/instrumental Activities of Daily Living). Dies sind beispielsweise Toilettengang, Duschen, Anziehen, Essen und Trinken, Telefonieren, Einkaufen, Hausarbeiten, Benutzung von
Verkehrsmitteln, Planung, Umgang mit Geld und Urteilsvermögen. Der Ernährungsstatus wurde anhand von Bioimpedanzanalysen, sowie der Eiweißkonzentration (Albumin) im Serum ermittelt.
Hinzu kamen Angaben zu Nikotin- und Alkoholkonsum, Kognition, sozialer Situation, Stimmungslage/Depressivität (Depressionsmodul PHQ-9), frühere und aktuelle körperliche Aktivität und Tests zu den körperlichen Funktionen (Handkraft, Aufsteh- und Gehtests). Im Ergebnis zeigte sich bereits bei der ersten Folgeuntersuchung sechs Monate nach der Therapie – gemessen an der körperlichen Funktionalität – ein klinisch relevanter Verlust gesundheitsbezogener
Lebensqualität (HRQOL/Health-related quality of life: von durchschnittlich 79,8 auf 65,0 Punkte), eine Zunahme von Bewegungseinschränkungen sowie der Fatigue-Symptomatik. Mit der körperlichen Funktionalität korrelierten dabei am stärksten das Serumalbumin und der PHQ9-Score.
„Wir konnten in der Studie wichtige, potenziell modifizierbaren Faktoren für einen Verlust an Lebensqualität bei alten Menschen in der Folgezeit nach der Strahlentherapie identifizieren“, fasst Prof. Vordermark zusammen. „Dies sind individuelle körperliche Aktivität, mentale Gesundheit
einschließlich der sozialen Situation sowie der Ernährungszustand.“ „Um Lebensqualität und körperliche Funktionalität älterer Krebspatienten langfristig zu erhalten, bedarf es offensichtlich eines ganz neuen geriatrisch-onkologischen Gesamtkonzeptes, beginnend mit dem geriatrischen Assessment und möglichen Supportivmaßnahmen, gefolgt von einer gezielten Nachsorge einschließlich einer Prophylaxe von körperlichen Funktionsverlusten“, so Frau Prof. Dr.
Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. Nach der kommenden Auswertung der 12-Monats-Daten will das Studienteam zielgruppenorientierte
Interventionsstrategien entwickeln und in weiteren Studien überprüfen, ob sich die beschriebenen Risikofaktoren positiv beeinflussen lassen.

Literatur
[1] Vordermark D. Entscheidungsfindung und Therapieplanung bei geriatrisch onkologischen Patienten. Vortrag auf der
Jahrestagung der European Society of Radiation Oncology (ESTRO), Mailand 2019
[2] Jeppesen SS, Matzen LE, Brink C et al. Impact of comprehensive geriatric assessment on quality of life, overall survival,
and unplanned admission in patients with non-small cell lung cancer treated with stereotactic body radiotherapy. J Geriatr
Oncol 2018; 9 (6): 575-82
[3] Kaufmann A, Schmidt H, Ostheimer C et al. Quality of life in very elderly radiotherapy patients: a prospective pilot study
using the EORTC QLQ-ELD14 module. Support Care Cancer 2015; 23(7): 1883-92
[4] Schmidt H, Boese S, Lampe K et al. Transsectoral care of geriatric cancer patients based on comprehensive geriatric
assessment and patient-reported quality of life – Results of a multicenter study to develop and pilot test a patient-centered
interdisciplinary care concept for geriatric oncology patients (PIVOG). J Geriatr Oncol 2017; 8(4): 262-70
[5] Kooymann J, Medenwald D, Golla A et al. Die Entwicklung der körperlichen Funktionsfähigkeit älterer Krebspatientinnen
und Krebspatienten vor und 6 Monate nach Tumortherapie – eine prospektive Beobachtungsstudie. P18-6-jD. DEGRO-
Kongress, Münster 2019

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Beitrag von DEGRO, 23. April 2019

Antioxidantien können die Wirksamkeit der Brustkrebstherapie vermindern

Dank der Fortschritte in der modernen Medizin haben die Heilungschancen bei Brustkrebs in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Neben der klassischen Schulmedizin wird auch auf anderen Gebieten geforscht, um das Überleben und vor allem die Lebensqualität der Patientinnen weiter zu verbessern. Gesunder Ernährung und auch sogenannten Ernährungsergänzungsmitteln kommt dabei ein besonderes Interesse zu. Nun zeigte aber eine Studie, dass Antioxidantien – oft als lebensmittelchemische Wunderwaffe beschrieben – die Effektivität der Brustkrebsbehandlung vermindern können.

Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung bei Frauen [1, 2]. Jedes Jahr erkranken daran über 70.000 Frauen (und ca. 700 Männer). Neben der primären Operation kommt bei der Mehrheit der Patientinnen eine moderne Strahlentherapie (mit oder ohne Hormon-, Chemo- oder weitere medikamentöse Therapien) zum Einsatz, die einen großen Anteil daran hat, dass die Heilungschancen in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben. Die 5-Jahres-

Überlebensrate liegt heute bei ca. 88 %, die 10-Jahres-Überlebensrate bei 82 %.
Neben der klassischen Schulmedizin wird auch auf anderen Gebieten geforscht, um das Überleben der Patientinnen weiter zu verbessern. Ein großes Forschungsfeld stellt heute in jeder Hinsicht die Ernährung dar. Ernährungsergänzungsmittel sind wörtlich „in aller Munde“, so auch die sogenannten
Antioxidantien, zu denen Vitamine (wie Vitamin C und E), Mineralien (wie Zink und Selen) und sekundäre Pflanzenstoffe (wie Carotinoide, Flavonoide, Saponine) gehören. Antioxidantien (auch Radikalfänger) werden oft als lebensmittelchemische Wunderwaffe beschrieben, da sie unsere Zellen vor Schäden durch freie Radikale schützen.
Freie Radikale entstehen als Abfallprodukte bei normalen Stoffwechselvorgängen; es handelt sich dabei um sauerstoffhaltige, chemisch instabile und daher sehr reaktionsfreudige Moleküle, die nach dem Muster einer Kettenreaktion andere Moleküle bzw. Zellen angreifen (oxidieren) und schädigen. Ihr Auftreten lässt sich nicht vermeiden, aber der Körper besitzt antioxidative Mechanismen. Bestimmte Umstände verstärken jedoch die Entstehung aggressiver Radikalverbindungen,
beispielsweise Stress, Zigarettenrauch, falsche Ernährung, Sonnenbaden, Umwelttoxine und andere Umwelteinflüsse. Ein Überschuss an freien Radikalen, die der Körper nicht mehr ausreichend abfangen kann, bewirkt oxidativen Zellstress, d. h. intakte Moleküle, Eiweiße und Enzyme, Zellmembranen und Rezeptoren
der Zelloberflächen, aber auch die DNA, werden in zunehmendem Maße oxidiert und in ihren Funktionen gestört. So scheint oxidativer Stress im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen und Beschwerden zu stehen. Dies betrifft besonders die Alterung und Schädigung von Blutgefäßen und des Herz-Kreislauf-Systems, der Haut (Zerstörung von Kollagen), Augen und Gelenke. Auch bei der Krebsentstehung spielen freie Radikale eine Rolle. Eine gesunde Ernährung, die unter anderem reich an Antioxidantien ist, wirkt daher prinzipiell der Entstehung von Krebs entgegen.
Ob die Nahrungssupplementierung mit Antioxidantien jedoch für Krebspatienten, insbesondere während der Therapie von Nutzen ist, wird kontrovers diskutiert [3]; die Ergebnisse bisheriger Studien waren insgesamt nicht eindeutig und uneinheitlich. Die offiziellen Empfehlungen lauten, dass während Bestrahlung und/oder Chemotherapie soweit möglich auf Antioxidantienzusätze verzichtet werden sollte [4], weil der antioxidative Schutzeffekt die Wirkung einer Krebstherapie abschwächen kann, da nicht nur gesunde Zellen, sondern auch Krebszellen vor Schäden bewahrt werden.
Eine neue Studie aus Deutschland [5] hat nun diese Warnungen bestätigt – zumindest für Patientinnen mit postmenopausalen Brustkrebserkrankungen während laufender Therapie. Die Forscher analysierten, ob es Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Antioxidantien und anderen Nahrungssupplementen und dem Verlauf bzw. der Prognose der Erkrankung gibt: Aus der MARIE-Studie („Mamma Carcinoma Risk Factor Investigation“) wurden Daten von 2.223 postmenopausalen Frauen mit nichtmetastasierendem Mammakarzinom ausgewertet. 36 % der Frauen hatten vor und 45 % nach ihrer Diagnose entsprechende Ernährungssupplemente eingenommen. Insgesamt gab es im Verlauf 240 Todesfälle, davon 134 Brustkrebs-assoziiert, und 200 Brustkrebs-Rückfälle (Rezidive). Während die Menge aller insgesamt eingenommenen Supplemente in keinem Zusammenhang mit der Brustkrebsprognose stand, zeigte sich, dass die Einnahme von Antioxidantien zeitgleich zur laufenden Krebstherapie (Bestrahlung oder Chemotherapie, insgesamt 1.940 Frauen) mit einer 1,6-fach höheren Mortalität und 1,8-fach höheren Rezidivrate assoziiert war.
Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), fasst die Problematik zusammen: „Antioxidantien wirken Oxidationsvorgängen entgegen und können somit offensichtlich auch Schäden an Krebszellen abwenden, die man mit einer Bestrahlung und/oder Chemotherapie gerade erreichen möchte.“ Um alle Risiken zu vermeiden, sollte man daher mit dem behandelnden Onkologen über die Ernährung und besonders über jegliche Nahrungsergänzungsmittel sprechen. „Tatsächlich kann es durch Therapienebenwirkungen wie Erbrechen oder Schleimhautentzündung zur Unterversorgung mit bestimmten Nährstoffen kommen. Ein solcher Mangel kann aber gezielt diagnostiziert und mit geeigneten Präparaten behoben
werden“, erklärt Frau Prof. Combs.
Prof. Dr. Wilfried Budach, DEGRO-Präsident (Düsseldorf), ergänzt: „Natürlich wird Krebspatienten eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung empfohlen, die Obst und Gemüse, Eier, Milchprodukte, Fleisch und Fisch beinhaltet und natürliche Antioxidantien enthält. Von der Einnahme hochkonzentrierter Antioxidantien in Form von Nahrungsergänzungsmittel raten wir aber ab.“

Literatur
[1] Krebsregisterdaten Robert Koch Institut
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsgeschehen_download.pdf
?__blob=publicationFile
[2] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs-
definition-und-haeufigkeit.html
[3] https://www.biokrebs.de/aerzte-informtionen/dzo-news/91-orthomolekulare-medizin-orthomolekulare-
medizin/364-antioxidantien-waehrend-chemotherapie
[4] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/bewusst-leben/basis-
informationen-krebs-bewusst-leben-ernaehrung/nahrungsergaenzun.html
[5] Jung AY, Cai X, Thoene K et al. Antioxidant supplementation and breast cancer prognosis in postmenopausal
women undergoing chemotherapy and radiation therapy. Am J Clin Nutr 2019 Jan; 109(1): 69-78

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